Sonntag, 15. November 2009

Aufgaben

November 2009. Schweine-Grippe. Wirtschaftskrise. Afghanistan. Soweit, so schlecht. Alltag. Bis zum Dienstag, gegen 18:17 Uhr.
Es dauert nicht lange, bis die ersten Meldungen übers Netz und die Mattscheibe tickern: Robert Enke ist tot, Geschichte.
Am nächsten Tag, Mittwoch Mittag: Presse-Konferenz mit Teresa Enke (N24). Und die bittere Erkenntnis, dass selbst die Liebe nicht immer alle Wunden heilt.
Diagnose Depression.
Zwei Stunden später: DFB-Präsident Zwanziger sagt ein fürs Wochen-Ende geplante Freudschaftsspiel ab. Teammanager Bierhoff weint (N24).
Am Abend: Andacht in einer Kirche in Hannover. Bedeutungsvolle Sätze von Landesbischöfin Margot Käßmann. Danach, ein paar Meter weiter: Interviews mit trauernden Fans. Und eine Reporterin, die umringt von weinenden Menschen live und on-Air feststellt: "So geht das nicht." (ARD).
Günther Jauch will nicht nach dem Warum fragen (RTL). Aber erste Parallelen zu Sebastian Deisler ziehen und die Frage stellen, ob der Ex-Bayern-Star durch den Schritt in die Öffentlichkeit sein Leben gerettet hätte.
Donnerstag, die englische Times titelt: "Sometimes love´s not enough."
Sendepause.
Samstag Abend Freundschaftsspiel Brasilien gegen England in Doha, Katar. Gedenk-Minute (ZDF). Anschließend Diskussion im aktuellen Sportstudio mit Michael Steinbrecher.
Heute Mittag Trauerfeier im Stadion in Hannover. Tausende weinen (DSF).
Im Anschluss Diskussion mit Jörg Wontorra.
...
Multimediale und internationale Betroffenheit und Fassungslosigkeit.
...
Aber:
Wie pervers ist das denn eigentlich?
Wer hat Robert Enke wirklich gekannt?
Wer hat eigentlich das Recht, um einen Menschen, Vater, Mann und Freund zu trauern? Familie und Angehörige ausgenommen.
Und sind es nicht die gleichen Medien, die jetzt auf x Kanälen der Trauer quotenstark huldigen, die rund um die Uhr danach lechzen, Helden und "Halb-Götter" am Fließband zu kreieren, wohlwissend, dass es nicht um Menschen, sondern um Marken geht? Zeigt sich nicht die ganze ekelhafte Fratze, wenn der TV-Reporterin vor Ort der Verstorbene ziemlich egal ist, wenn sie sich auf der Hatz nach einem O-Ton in einem Menschenauflauf etwas unbequem fühlt und das direkt in die Kamera kotzt?
Andererseits: Ist es nicht die gleiche Heuchel-Gesellschaft, die sich jetzt in ihren Tränen suhlt, die diese Helden permanent wünscht, ja, geradezu nach "Brot und Spielen", nach modernen Gladiatoren ohne jede Schwäche 24/7 verlangt? Die deshalb blind ist für Schwächen, diese nicht sieht, weil sie sie nicht sehen will? Weil die Gedanken-Rechnung "Wer erfolgreich ist, hat gefälligst keine Schwächen (zu haben)" einfach zu tief verwurzelt ist? Wenn nicht einmal Vereinsangehörige und Mannschafts"kameraden" über Jahre hinweg genau hinsehen wollen oder bewusst schweigen, weil es so sein muss, dann sagt das Etwas darüber aus, wie fortgeschritten dieser Prozess ist.
Bleibt die bescheidene Hoffnung, dass diese Tragödie aller "Ohnmacht" zum Trotz die Kraft besitzt, Medien und Gesellschaft nachhaltig positiv zu beeinflussen.
Auch wenn die Show weitergeht.

R.I.P.
Robert Enke

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