Sonntag, 29. November 2009

Er-Mann, Keiner macht(e) mehr an.

In meinem Wohnzimmer thront eine Figur auf einem halbhohen Regal. Zumeist ganz unscheinbar. Dabei hat sie doch diverse Umzüge überlebt und immer ihren Platz in meinem bescheidenen Heim gefunden. Alleine deshalb hat sie es verdient, dass ich ihr an dieser Stelle ein paar nostalgieverzierte, herzliche Gedanken widme.
Aaaalso: Um welche Figur handelt es sich hier denn überhaupt? Sie ist ca. 15 Zentimeter groß und erstaunlich robust. Trotzdem made in the USA. Sie stellt einen Menschen dar, einen muskulösen Mann mit gülden blondem Haar und einem grimmig entschlossenen Gesichtsausdruck. Er trägt einen rötlichen Lendenschurz und Lederstiefel der gleichen Farbe. Vor etlichen Jahren hatte er auch einmal eine Rüstung, Schwert und Schild. Die haben´s aber leider nicht bis in mein aktuelles Reich geschafft: Die Rede ist von- na, Frage vom Fachmann an den Kenner: schon erraten?- jawohl, er ist es: He-Man.
He-Man-Wer (für alle anderen)?
Nüchtern betrachtet ist es ein Spielzeug der „Masters of the Universe“-Reihe, die der Hersteller „Mattel“ Anfang der Achtziger auf den Markt brachte. Für mich ist er ein Teil meiner Kindheit. Ich war wohl so um die fünf, sechs Jahre alt, als ich ihn kennenlernen sollte.
Damals hatte ich natürlich keine Ahnung davon, dass He-Man 1982 zum Leben erweckt wurde, da auf dem Action-Figuren-Markt eine Lücke klaffte- trotz G.I. Joe (Hasbro) und Star Wars (Kenner). Und dass Mattel deshalb ein neues Konzept erfand, um ein weiteres Stück vom Kapital-Kuchen abzugreifen. „Barbie“ hin und „Hot Wheels“ her.
Damals war ich einfach nur geflashed vom Kampf „Gut gegen Böse“, vom Kampf He-Mans und seiner „Masters of the Universe“-Crew gegen Skeletor&Co.
Warum eigentlich?
Natürlich waren alle Charaktere anatomisch gesehen völlig übertrieben dargestellt. Gegen die Meister hätte sogar ein „Mr. Universum“ Arnie einpacken können. Und das zu seinen besten Anabolika-Zeiten.
Aber, und was damals ja viel wichtiger war: Wie cool die Figuren und ihre Features doch waren!!!
Als da wären gewesen...der gute „Moos Man“ mit grünem Filz, das sogar wirklich nach Wald roch. Wen hat es damals schon interessiert, ob die Duftstoffe nun krebserregend waren oder nicht?
Der finstre Schlangenfürst „Kobra Khan“, der Wasser aus seinem Kopf schießen konnte, so man diesen nach unten drückte, so man denn voher Etwas in seinen Hals gegossen hatte.
Oder „Man-E-Faces“ (!) mit den drei verschiedenen Gesichtern Mensch, Maschine und Monster. „Ram-Man“ mit Schießsprung-funktion.
„Fisto“, die schnappende Plastikeisenfaust, und um nur ein paar zu nennen, die auch ich mein Eigen nennen durfte (hier geht´s zu weiteren Muster-Beispielen), neben eben dem heldenhaften He-Man und Erzfeind Skeletor- bei dem der Name optisch Programm war.
Welch`epische Schlachten zwischen Sc-Fi und Fantasy nicht nur in meinem Kinderzimmer stattfanden!
Da fällt mir ein, dass ich damals mit meiner Oma in Gunzenhausen spazieren ging. Es war ein grauer Herbst-Nachmittag im Jahr 1986. Und wie es das Schicksal oder das Zauberschwert wollte, lag am Gehsteigrand tatsächlich ein Bündel Geldscheine. Es wäre jetzt echt zu billig, wenn ich behaupten würde, dass damals das Geld noch auf der Straße lag. Aber so war es halt. Wie dem auch sei, wieviel Geld es war, kann ich nicht sagen. Ich war ja erst sechs oder so. Ich denke aber, dass es auf jeden Fall eine Menge war, denn der nächste Weg führte erst einmal zum „Seifenplatz“, einem örtlichen Drogerie-Markt inklusive Spielzeug-Sortiment, wo ich mir erst einmal „Buzz Off“, den Insekten-Mann, kaufte. Und glücklich war.
Zurück aber zu He-Man: Damals hat mich nicht gestört, dass es neben ihm ja auch noch Adam gab, der eigentlich wiederum He-Man war. Dass aber nur dann, wenn er sein magisches Schwert zog und „Bei der Macht von Castle Greyscull, ich habe die Kraft!“ ausrief und sich vom schüchternen Prinzen in den stärksten Mann des Universums verwandelte. Heute kann ich da schon eine gewisse Ähnlichkeit zum Super-Man-Prinzip erkennen. Der aber lebte ja auf der Erde (lassen wir mal seine Krypton-Vorgeschichte weg), nicht auf Eternia und hatte definitv kein so fettes Zauberschwert. Damals war auch mein Englisch noch nicht so gut bzw. einfach nicht vorhanden, um die Bedeutungsschwere des Namens He-Man in seiner ganzen Tragweite verstehen zu können. Auch der Zauber-Ruf kommt mir heute irgendwie etwas, na ja, diskutabel vor aus kreativer Sicht, ehrlich gesagt. Aber es muss ja auch nicht immer gleich Shakespeare sein, wenn die Illusion auch auf ganz einfache Weise funktioniert.
Damals war ich auch großer Fan der He-Man-Hörspiel-Reihe, die, wie ich heute Dank Wikipedia weiß, ja exklusiv für Deutschland produziert wurde. Danke Europa. Da ließ sich auch Norbert Langer, die Stimme von Magnum- der mit dem Ferrari und den Hawai-Hemden- nicht lumpen, He-Man akustisch ein Gesicht zu verleihen. Und auch die Zeichentrickserie war natürlich ganz groß, wobei das Hörspiel schon fast cooler war. Alleine die Titel-Melodie (Zum Anhören hier klicken)- ganz groß!
Ganz im Gegenteil zum Realfilm mit Dolph Lundgren in der Rolle als He-Man. Der ging nun wirklich nicht. Schon damals. Schon 1987 habe ich mich gefragt, was denn nun den üblen Russen und Apollo-Mörder Ivan Drago (guckst Du) nach Eternia verschlagen hat, und dann noch als He-Man für Arme (guckst Du auch)?!
Also bitte.
Und wie schlecht und uninspiert Skeletor optisch getroffen war (ist denn schon Fasching?)! Ich mein`, wenn ich schon als Kind unter der Skelett-Maske das Gesicht des Schauspielers erkennen konnte, dann sagt das ja wohl Alles, ts.
Vielleicht ging deshalb auch bald der Stern der Masters of the Universe unter. Ich war wohl nicht das einzige enttäuschte Menschen-Kind. Gut, die Transfomers kamen vielleicht auch dazwischen. Aber schade eigentlich, denn die Geschichte war so schlecht ja eigentlich nicht. Und alleine der Titel war ja seiner Zeit Einiges voraus. Wer konnte in den 80ern schon damit rechnen, dass eines Tages irgendwelche dahergelaufenen Börsen-Freaks sprachlich in einer Reihe mit He-Man stehen sollten?! Frechheit.
Bleibt zu hoffen, dass der neue Masters-of-the-Universe-Film (Fan-Trailer) da ein paar Dinge klarstellt.
Nicht nur meine He-Man-Figur auf dem Regal hätte das als Tribut längst verdient.
Bei der Macht von Greyscull.

Sonntag, 22. November 2009

Fair Play

Eine Hand zuckt vor und legt sich den Ball zurecht. Schöner Pass, Tor! Zu dumm aber auch, dass am Mittwoch Abend im Pariser Prinzenparkstadion nicht Hand-, sondern Fußball gespielt wurde. Gut, Schieds- und Linienrichter hätten in der Nachspielzeit des „Alles“ entscheidenden WM-Relegationsspiels zwischen Frankreich und Irland auch etwas genauer hinsehen können. Da das nicht passsiert ist, hätte der Schiri ja zumindest den mit-der-Hand-zum-Tor-Passgeber Thierry Henry direkt nach dem Tor befragen können: „Und, Herr Henry, haben Sie den Ball denn nun absichtlich mit der Hand gespielt? Na Na!“ Und dieser hätte dann ja ehrlich und wie ein Schuljunge, der mit Kameraden auf dem Pausenhof herumbolzt und aus Versehen (oder war es Absicht?) eine Fensterscheibe zerschießt und dabei von der Lehrer-Aufsicht erwischt wird, verlegen auf den Boden blickend mit „Ja, sicher doch“ antworten können...
ach nö, das ist doch alles zuviel Konjunktiv auf einmal. Immerhin hat die französische Stürmer-Legende nach dem Spiel tatsächlich zugegeben, dass die Hand- man kann kann davon ausgehen, dass es seine Eigene und nicht etwa die Hand Gottes oder des Teufels war (oder etwa doch? eine nähere Analyse dazu vielleicht ein ander Mal)- beim Tor mit im Spiel war. Eine sehr vernünftige Entscheidung, wenn man bedenkt, dass das ja eh Dutzende Kameras und Millionen Augen im Stadion und vor der Mattscheibe aufgenommen und gesehen hatten.
Nun ist es aber auch so, dass dieses Spiel ohne Wiederholung in die Geschichte eingehen wird, trotz der (inter)nationalen Proteste in der Öffentlichkeit und im irischen Parlament. So hat die allmächtige FIFA entschieden.
Notiz , nicht am Rande: Es gibt da ja noch eine ziemlich groß angelegte FIFA-„My Game is Fair Play“-Kampagne (siehe offizielle Infos dazu). Und welcher Fußballfreund kennt sie nicht, die rührenden Szenen vor wichtigen Länderspielen, wenn Kinder auf dem Rasen xxl-Transparente mit diesem Spruch entrollen und Nationalmannschaftskapitäne (auch Thierry Henry) Botschaften à la „Fair geht vor“ verlesen.
Zwei Tage später dann dies: 15 Haftbefehle, 200 Verdächtige, 200 Spiele in ganz Europa verschoben, darunter sogar in Champions- und Europaleague. Gut zu wissen, dass ja nicht die 1. Bundesliga, sondern nur 2. bis x-te Liga davon betroffen waren/ sind. So das Echo der verantwortlichen Manager und Trainer- der 1.Liga.
Dazu muss man aber auch ehrlicherweise sagen, dass der FCN heute auch Dank eines manipulierten Zweitliga-Spiels gegen Osnabrück (2:0) in der vergangenen Saison wieder in der 1.Liga spielt, während die Osnabrücker in die Dritte Liga abgestiegen sind, was aber auch daran liegen kann, dass auch eines ihrer Spiele gegen Augsburg (0:3) verschoben worden sein soll.
Zweite Rand-Notiz: Am Wochen-Ende hat der unter Verdacht stehende Osnabrücker Spieler Thomas Reichenberger in einer rührenden Rede vor dem Anpfiff in der „Osnatel-Arena“ verkündet, dass er mit der „Wettmafia“ (O-Ton Reichenberger) nichts, also niemals nie etwas zu tun hatte (siehe Zeit.de).
Und à propos Nürnberg: Als Franke freut es mich natürlich sehr, dass der Club am Wochen-Ende 3:2 in Wolfsburg gewonnen hat. Und das ganz wahrscheinlich sogar ganz ohne die Hilfe der Wettmafia. Nur weiß ich aber auch nicht so recht, was ich davon halten soll, wenn der Kapitän der Nürnberger, Andreas Wolf- seines Zeichens allerdings nicht für Spiel-Intelligenz bekannt- in der 86. Minute (Absicht oder nicht?) seinen Gegenspieler Edin Dzeko filmreif mit einem Kung-Fu-Stollen-Tritt im Gesicht trifft, und dafür nicht einmal eine Karte sieht. So hat es der Schiri eben gesehen und entschieden. Also ist der Fall abgehakt. So will es die FIFA. Nur kam dann ja auch noch die 90. Minute, als der am Boden liegende Nürnberger Torwart Schäfer dem Wolfsburger Misimovic, direkt vor ihm stehend, mit voller Absicht zwischen die Beine und in die Familien-Juwelen tritt und dann sogar noch mit Unschuldsmiene abwinkt, als wäre Nichts gewesen...
I have a dream: „My Game is Fair Play“.
Sepp, hörst Du mich???

Sonntag, 15. November 2009

Aufgaben

November 2009. Schweine-Grippe. Wirtschaftskrise. Afghanistan. Soweit, so schlecht. Alltag. Bis zum Dienstag, gegen 18:17 Uhr.
Es dauert nicht lange, bis die ersten Meldungen übers Netz und die Mattscheibe tickern: Robert Enke ist tot, Geschichte.
Am nächsten Tag, Mittwoch Mittag: Presse-Konferenz mit Teresa Enke (N24). Und die bittere Erkenntnis, dass selbst die Liebe nicht immer alle Wunden heilt.
Diagnose Depression.
Zwei Stunden später: DFB-Präsident Zwanziger sagt ein fürs Wochen-Ende geplante Freudschaftsspiel ab. Teammanager Bierhoff weint (N24).
Am Abend: Andacht in einer Kirche in Hannover. Bedeutungsvolle Sätze von Landesbischöfin Margot Käßmann. Danach, ein paar Meter weiter: Interviews mit trauernden Fans. Und eine Reporterin, die umringt von weinenden Menschen live und on-Air feststellt: "So geht das nicht." (ARD).
Günther Jauch will nicht nach dem Warum fragen (RTL). Aber erste Parallelen zu Sebastian Deisler ziehen und die Frage stellen, ob der Ex-Bayern-Star durch den Schritt in die Öffentlichkeit sein Leben gerettet hätte.
Donnerstag, die englische Times titelt: "Sometimes love´s not enough."
Sendepause.
Samstag Abend Freundschaftsspiel Brasilien gegen England in Doha, Katar. Gedenk-Minute (ZDF). Anschließend Diskussion im aktuellen Sportstudio mit Michael Steinbrecher.
Heute Mittag Trauerfeier im Stadion in Hannover. Tausende weinen (DSF).
Im Anschluss Diskussion mit Jörg Wontorra.
...
Multimediale und internationale Betroffenheit und Fassungslosigkeit.
...
Aber:
Wie pervers ist das denn eigentlich?
Wer hat Robert Enke wirklich gekannt?
Wer hat eigentlich das Recht, um einen Menschen, Vater, Mann und Freund zu trauern? Familie und Angehörige ausgenommen.
Und sind es nicht die gleichen Medien, die jetzt auf x Kanälen der Trauer quotenstark huldigen, die rund um die Uhr danach lechzen, Helden und "Halb-Götter" am Fließband zu kreieren, wohlwissend, dass es nicht um Menschen, sondern um Marken geht? Zeigt sich nicht die ganze ekelhafte Fratze, wenn der TV-Reporterin vor Ort der Verstorbene ziemlich egal ist, wenn sie sich auf der Hatz nach einem O-Ton in einem Menschenauflauf etwas unbequem fühlt und das direkt in die Kamera kotzt?
Andererseits: Ist es nicht die gleiche Heuchel-Gesellschaft, die sich jetzt in ihren Tränen suhlt, die diese Helden permanent wünscht, ja, geradezu nach "Brot und Spielen", nach modernen Gladiatoren ohne jede Schwäche 24/7 verlangt? Die deshalb blind ist für Schwächen, diese nicht sieht, weil sie sie nicht sehen will? Weil die Gedanken-Rechnung "Wer erfolgreich ist, hat gefälligst keine Schwächen (zu haben)" einfach zu tief verwurzelt ist? Wenn nicht einmal Vereinsangehörige und Mannschafts"kameraden" über Jahre hinweg genau hinsehen wollen oder bewusst schweigen, weil es so sein muss, dann sagt das Etwas darüber aus, wie fortgeschritten dieser Prozess ist.
Bleibt die bescheidene Hoffnung, dass diese Tragödie aller "Ohnmacht" zum Trotz die Kraft besitzt, Medien und Gesellschaft nachhaltig positiv zu beeinflussen.
Auch wenn die Show weitergeht.

R.I.P.
Robert Enke